Eine Insel in der Nordsee erwartet einen Kometen. Und das zum Geburtstag im Juli von Oma Inge Boysen und Enkelin. Klingt „nur“ nach guter Unterhaltung. Deshalb war das Buch mit auf Reisen. Und wurde nicht mehr aus der Hand gegeben. Das Buch würde so unterschätzt – denn man kann sich vieles so ganz nebenbei als Impuls annehmen …
Geschildert werden die eigenen Charaktere der Insel – Nordlichter. Immer für eine Überraschung gut und viel mehr Herz als gerne gezeigt wird. Und ansonsten eben Menschen. Die Familie, sie ist ziemlich groß, hat aber auch sehr viel zu bieten.
Enno – ein Sohn, der wegen überstandener Krankheit mal eben um die Welt reist. Seine Frau Kerrin, die in die Familie hineingewachsen ist und nun neue Wege sucht. Und findet – wie überhaupt jeder der diesem Kosmos angehört. Deren Adoptivtochter Inka erfindet sich immer wieder neu und lebt ihre Überzeugungen.
Boy ist der zweitälteste Sohn. Als Luftikus gefürchtet und geliebt, verwettet er sein Leben, um die Familie zu unterstützen. Gesa ist die Tochter und ist in der Familie mit zwei Kindern und deren Vater und ihrem (Noch-)Ehemann Jochen. Hat dazu aber eine neue Liebe und hat mit dieser neuen Liebe auch ein frisch Geborenes. Berrit hat sich nach Berlin verdrückt, um dort ungestörter ihre Liebe zu Johanna leben zu können und endlich den Start für ihr Buch zu finden.
Wichtig zu erwähnen sind da noch die beste Freundin von Inge Boysen – Ärztin auf der Insel mit Namen Ilse Johannsen. Der Kater Ahab und der Komet Fortune und seine Meteoriten.
Inge Boysen liebt ihre Insel, ihr Haus Tide und ihre Familie. Jeden Einzelnen. Das macht es nicht leichter. Denn im vorigen Jahreswechsel wurde sie für tot erklärt, war es aber nicht. Dennoch sieht sie dem 80ten Geburtstag mit dem Gedanken des Abschiedes entgegen. Und fragt sich also, wie sie die Familie und das Haus gut hinterlassen kann.
Wer nun denkt, es ist Trübsal angesagt täuscht sich sehr. Solch eine Oma, Mutter, Freundin würde sich jeder wünschen. Realistisch, bodenständig und lebenserfahren.- Und dennoch – oder deshalb – vollkommen offen für alle Lebensentwürfe um sie herum.
Auch den Geschehnissen im Juli – versenkt das Himmelsereignis die Insel, trifft der Komet daneben oder verzupft sich woanders hin – es ist im Grunde gleich.
Das wiederum sehen die Inselbewohner anders – die Gesellschaft hat sich in Lager aufgeteilt. Und verteidigt die jeweiligen Ansichten mit weit weniger Humor als Inge Boysen. Sie sieht die Dinge des Alterns, des Lebens relativ gelassen. Die Wenns und Abers sind erkennbar, aber deshalb muss man die eigenen Wünsche nicht weglegen. Sondern den eigenen Weg gehen und die eigenen Wünsche verfolgen.
Die Kinder treiben sich im Vorfeld des Geburtstages in der Welt herum. Gesa ist bei ihr. Somit kommt auch Jochen regelmäßig, um seine Kinder zu sehen. Die Schwiegertochter ist da. Mit allen anderen ist der Kontakt gar nicht so groß, und dennoch weiß man voneinander, was gerade so läuft. Und dass man sich verlassen kann aufeinander – mehr oder weniger.
So trudeln denn auch im Monat vor dem Ereignis Teile der Sippschaft ein, um bei den Vorbereitungen zum Geburtstagsfest zu helfen. Nicht hilfreich aber ganz logisch sind die ungebetenen und unerwarteten Gäste – ferne Freunde und Verwandte, die so ganz zufällig in der Nähe der Insel sind und bei der Gelegenheit gerne reinschauen würden.
Am Festtag selbst ist die Insel am Durchdrehen, das Haus samt Garten platzt aus allen Nähten, und die einzelnen Menschen sind angesichts der Ereignisse nicht mehr sie selbst. Oma Inge – ich erlaube mir, sie so zu nennen, die Familie sieht sie nicht so – steht im Mittelpunkt, macht sich die eigenen Gedanken und macht was getan werden muss.
Denn auch in der Familie ist eine Art Countdown – Geschichten zeigen sich, lösen sich auf, entwickeln sich.
Das pralle Leben! Und jede einzelne Figur wäre ein eigenes Buch wert, eine eigene Geschichte. Denn der Leser wüsste schon gerne, wie sich das eine und andere weiterentwickelt.
Auf dem Buchcover steht „Vorsicht – kann Spuren von Glück enthalten“. Stimmt irgendwie. Es regt an mal über sich und das Leben nachzudenken. Wenn gewünscht sogar über den Tod. Wie man sein Leben meistern kann und wie man mit den entsprechenden Schwierigkeiten bei der Wunscherfüllung umgehen könnte. Aber es lohnt sich unbedingt es zu wagen. Das ist es, was hier charmant, locker und mit unerwartetem Witz erzählt wird.
Beispielsweise hat die Insel als Nachbarn eine Vogelschutzinsel. Deren Wärter sind eine ganz besondere Spezies. Das wird gar nicht groß geschildert, mal hier und da ein Satz. Und dann stehen da Dinge … Naja – nicht zu viel verraten.
Die Menschen und deren Geschichten sind fein beobachtet, direkt aus jedermanns Leben genommen. Inge Boysen fasst sich kurz und treffend und bringt die Dinge einfach auf den Punkt. Das sind dann die Gedanken zum Nachdenken.
Aber alles in allem kann man es auch einfach so lesen, sich gut unterhalten lassen und ein wenig träumen. Es bleibt einfach nicht ohne Wirkung. Und so ein Buch liest sich gerne ein zweites Mal. So einfach kann eine Beobachtung von Menschen und deren Eigenheiten geschildert werden und das Leben noch dazu. Großes Kompliment, wie viele Fäden zusammenlaufen bei jeder Figur und stimmig in der ganzen Familie! Da würde man gerne Mäuschen spielen.
Übrigens – dies Buch ist der Nachfolger von „Wintergäste“. Ein unvergesslicher und besonderer Jahreswechsel der Familie im Haus Tide. Showdown auf der eingeschneiten Insel. Tote, die keine sind. Und einiges mehr. Das werde ich mir auch noch zu Gemüte führen, denn diese Familie ist ein Universum und höchst interessant. Beim Lesen der „Glücksreisenden“ habe ich die Vorgeschichte nicht vermisst. Es dürfte also auch nicht zu schlimm sein, die Reihenfolge umzukehren.
Denn Sie wissen ja – Wünsche sollte man genau betrachten. Und dann auf jeden Fall versuchen umzusetzen. Das Leben und das Glück oder Schicksal – wie der Komet Fortune – kommen sowieso dazwischen und dazu. Und dann ist alles anders aber trotzdem gut.
[CS]
„Die Glücksreisenden“ gibt es übrigens auch im Großdruck, und sie sind auch als E-Book oder als Hörbuch (dtv audio, audible) erhältlich.
Autor: Sybil Volks
Titel: „Die Glücksreisenden“
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Broschiert: 336 Seiten
ISBN-10: 3423262036
ISBN-13: 978-3423262033